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Sa, 09:33 Uhr
07.01.2017
Moderne Anästhesieverfahren ermöglichen sichere Operationen

Zwischen Entspannung und Kontrollverlust

Sie gehört zu den innovativsten Erfindungen auf dem Gebiet der Medizin: die Narkose. Sie beschreibt das Bestreben, Schmerzen zu lindern oder gar nicht zu spüren, während zeitgleich ein mehr oder weniger aufwendiger operativer Eingriff stattfindet. Und trotzdem gibt es da auch Ängste...

Während der Patientenakademie in Bleicherode (Foto: J. Weller) Während der Patientenakademie in Bleicherode (Foto: J. Weller)
Der medizinische Fortschritt, seine Erkenntnisse und Operationsverfahren haben sich in den vergangenen 50 Jahren enorm in Richtung hochmoderne und minimalinvasive Medizin entwickelt. Möglich werden solche Eingriffe jedoch nur mit dem richtigen und präzisen Narkoseverfahren. Zum Auftakt der diesjährigen Patientenakademie der HELIOS Klinik Bleicherode sprach Dr. Olaf Rose, Oberarzt für Anästhesie und Intensivmedizin, über moderne Narkoseverfahren, Ängste und Risiken.

nnz: Herr Dr. Rose, was genau versteht man unter Narkose?

Dr. Rose: Das Ziel einer Narkose ist die Schmerzausscheidung für einen medizinischen Eingriff. Bei einer Vollnarkose wird zusätzlich das Bewusstsein ausgeschaltet, bei Bedarf durch Muskelrelaxierung eine Bewegungslosigkeit herbeigeführt. Eine weitere Komponente ist die Unterdrückung vegetativer Reaktionen. So übersteht zum einen der Patient schadlos die Operation, zum anderen werden optimale Bedingungen für den Operateur erzielt.

nnz: Welche Fragen und Ängste beschäftigen Ihre Patienten?

Dr. Rose: Viele Patienten fürchten den Kontrollverlust von Körper und Geist sowie die Ungewissheit, wie ihr Körper auf die Anästhesie reagiert. Einige fürchten auch, nach der Operation nicht mehr sie selbst zu sein oder gar nicht mehr aufzuwachen, da das Gehirn Schaden nehmen könnte.

nnz: Wie berechtigt sind diese Sorgen?

Dr. Rose: Das Narkoserisiko ist heutzutage minimal. Trotzdem ist eine Vollnarkose eine Belastung für den Körper. Daher favorisieren wir bei der Planung, wann immer es möglich ist, immer eine Teilnarkose. Hierbei wird mit Hilfe des injizierten Betäubungsmittels das Nervengeflecht oder einzelne Nerven blockiert.

Es gibt Patienten, die nach einer Narkose unter einem sogenannten postoperativen kognitiven Defizit leiden. Betroffene leiden unter Störungen in der Wahrnehmung, Sprache, ihrer Aufmerksamkeit oder des Gedächtnisses. Glücklicherweise ist dieser Zustand rückläufig. Nach spätestens sechs Monaten erholt sich der Körper vollständig von einer Operation und somit kehren auch die kognitiven Fähigkeiten zurück.

nnz: Wie hoch ist das Risiko, nach einer Operation nicht mehr aufzuwachen?

Dr. Rose: Zunächst einmal muss man unterscheiden, ob der Tod durch die Anästhesie oder bei einer Anästhesie auftritt. Letzteres tritt wesentlich häufiger auf, da es sich hier um alle Eingriffe handelt, bei der Patienten aufgrund von schweren Erkrankungen oder Verletzungen unter Narkose behandelt werden und versterben. Hier ist nicht die Narkose, sondern der bereits vorherrschende Schweregrad der Verletzung oder Erkrankung ausschlaggebend für den Todesfall und passiert bei einer von 10.000 Operationen. Dass ein Patient aufgrund einer Narkose verstirbt, passiert statistisch gesehen bei einem von 200.000 operativen Eingriffen. Die meisten schwerwiegenden Komplikationen treten in Form von Atemwegsproblemen auf.

Damit die Operation so sicher, wie möglich für den Patienten abläuft, werden sämtliche Anästhesisten und Anästhesieschwestern bei HELIOS regelmäßig an einem Simulator für Zwischenfälle trainiert, damit sie auch im Fall einer Komplikation sicher und schnell handeln können.

nnz: Ist jeder Patient für eine Narkose geeignet?

Dr. Rose: Vor jeder Operation findet ein Aufklärungsgespräch mit dem Patienten statt. Hier werden Operations- und Patientenrisiko abgewägt und das Narkoseverfahren festgelegt. Prinzipiell kann jeder Patient unter Narkose gesetzt werden. Es gibt jedoch Menschen, die verstärkt an Übelkeit oder Erbrechen nach der Operation leiden. Tatsächlich ist dies mit 20-30 Prozent die häufigste Nebenwirkung einer Narkose. Frauen sind hiervon häufiger betroffen. Auch Nichtraucher neigen interessanter Weise eher dazu, Narkosemittel nicht zu vertragen.

nnz: Welche Aufgaben hat der Anästhesist während einer Operation?

Dr. Rose: Nach erfolgreicher Einleitung der Narkose, überwacht und korrigiert der Anästhesist gegebenenfalls während des gesamten Eingriffs den Gesundheitszustand des Patienten, z.B. die Beatmung, Kreislauf, Körpertemperatur, Flüssigkeitszufuhr, Blutverlust und Blutzucker. Dies alles sind wichtige Parameter für den optimalen Ausgang der Operation. Nach dem Eingriff sind wir bei dem Patienten im Aufwachraum und sind für die Überwachung sowie die Kontrolle seiner Schmerzen zuständig.

nnz: Das klingt alles sehr beruhigend. Trotzdem kennt man aus den Medien die Geschichte, dass jemand während einer Operation erwacht. Ist das wirklich möglich und wie hoch ist das Risiko?

Dr. Rose: Das Phänomen der Wachheit während einer Narkose ist zwar selten, kommt aber schätzungsweise bei 1-2 von 1000 Operationen vor. Für die erfolgreiche Narkose ist es wichtig, dass wir im Vorgespräch so viel wie möglich über die Lebensumstände und den Gesundheitszustand des Patienten erfahren. Risikofaktoren, wie Alkohol- oder Drogenmissbrauch, Schmerzmittelkonsum oder ein erhöhtes Angstlevel können dazu führen, dass die Narkose nicht korrekt eingestellt ist und der Patient während der Operation erwacht. Wichtig ist hier: Wenn dies passiert und man als Patient bewusst Anteil an dem Eingriff nimmt, sprechen Sie mit Ihrem Anästhesisten! Die psychische Aufarbeitung eines solchen Vorfalls ist sehr wichtig, damit es im Anschluss nicht zu posttraumatischen Störungen kommt.

nnz: Herr Dr. Rose, wie gehen Sie mit Patienten um, die große Angst vor einer Narkose haben?

Dr. Rose: Die ausführliche Aufklärung und Anamnese ist sowohl für den Anästhesisten, als auch für den Patienten sehr wichtig. Patienten mit starker Angst können vor der Operation ein Beruhigungsmittel enthalten. Durch das persönliche Gespräch werden zudem viele Ängste und Sorgen abgebaut. Der Patient kann dann mit guten Voraussetzungen für seinen Eingriff in unserer Klinik erscheinen. Der Mediziner Johann von Mikulicz hat um 1900 gesagt: „Jede Narkose ist gefährlich und deren Durchführung ist eine der feinsten ärztlichen Kunstleistungen.“ Heute würde ich das Zitat dahingehend umformulieren, dass die moderne Narkose nur noch ein minimales Risiko darstellt. Ihre Durchführung ist aber immer noch eine der feinsten ärztlichen Kunstleistungen.
Autor: red

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