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In Nordhausen hatte Mozarts berühmtes Singspiel Premiere

Spaceship „Zauberflöte“

Sonnabend, 25. Januar 2020, 17:00 Uhr
Der alte Schikaneder hätte seine Freude daran gehabt, wenn er gestern gesehen hätte, wie sein Singspiel „Die Zauberflöte“, das sein Freund Mozart so klanggewaltig in eines der am häufigsten inszenierten Werke der Musikgeschichte verwandelt hatte, das Regieteam inspirierte und das Nordhäuser Publikum verzauberte. Und Wolfgang Amadeus wäre wohl von Sängern und Orchestern sehr angetan gewesen…

Tamina und Papageno (Foto: M.Kneise) Tamina und Papageno (Foto: M.Kneise)

Tamina (Amelie Petrich) und Papageno (Philipp Franke) rockten eine erstaunliche Premiere auf der Suche nach ihrer großen Liebe

Vor einer Brandmauer die schon bessere Zeiten gesehen hat, irgendwo im Nirgendwo, begegnen sich zwei Männer, die in den nächsten drei Stunden gemeinsame Abenteuer bestehen müssen, um letztendlich die Liebe einer schönen Frau zu erlangen und sie in ihre Arme zu schließen. Und diese auf den ersten Blick lang anmutende Zeit vergeht den Premierenbesuchern im restlos ausverkauften Nordhäuser Theater wie im Fluge. Dafür ist neben Mozarts genialer Musik, vom Loh-Orchester unter Michael Helmrath perfekt dargeboten, auch die geschlossene Ensembleleistung in einer gewitzten Inszenierung von Achim Lenz verantwortlich. Kein möglicher Spielanlass wird von den Protagonisten ausgelassen, die sichtlich Spaß haben an diesem Abend und sich völlig verausgaben.

Diese Version des tausendfach erzählten Märchens spielt in einer Welt, die ebenso apokalyptische Endzeitstimmung wie ein Arbeitsraumschiff der Vogonenflotte sein könnte, das gerade eine neue Umgehungsstraße durch unsere Galaxie bauen muss. Tamino (Kyounghan Seo), der aussieht wie er letzte überlebende Starship-Trooper trifft auf Papageno (Philipp Franke), der endlich einmal nicht aussieht wie ein Vogelmann und nicht mit Federn behängt ist wie ein Christbaum mit Lametta. Nein, dieser Papageno erinnert stark an den Talaxianer Neelix aus dem Raumschiff Voyager und trägt stolz einen alten Kassettenrecorder am Gürtel, mit dem er die Zauberglöckchen aktivieren kann und der aussieht, als hätte er wesentlich mehr als nur eine verheerende Brandkatastrophe durchlitten.

Und so gebührt der Ausstatterin dieser „Zauberflöte“-Inszenierung, Birte Wallbaum, für ihr grandioses Bühnenbild, die phantastischen Kostüme und vor allem die umwerfenden Masken ein dickes Extralob. Julia Lormis veredelt diese in sich geschlossene Ästhetik zwischen Weltuntergang und Weltenhoffnung im Tempel von Isis und Osiris mit ihren tollen Filmprojektionen. Da wurde an jedes Detail gedacht, jede Haarlocke präsentiert sich voll Stolz und Würde, jede Kostümnaht sitzt genau da, wo sie das Regieteam haben wollte. Spätestens wenn die Königin der Nacht ((SuJin Bae), sexy in Lack und Leder gewandet von ihrer beeindruckenden, chromblitzenden Yamaha Virago steigt und die Wahnsinns-Koloraturen ihrer berühmten Arie scheinbar mühelos in den Saal trällert, ist der Zuschauer in den Bann dieser Aufführung geschlagen.

Die Königin der Nacht (Foto: M.Kneise) Die Königin der Nacht (Foto: M.Kneise)

Die Rockerbraut...äh, Königin der Nacht (SuJin Bae)

Die drei Damen als schwarze Nornen, mit Autoversatzstücken in ihre Hüte geflochten, oder die drei Knaben als illuminierte Jedi-Ritter, mit großen Einkaufswagen unterwegs, fügen sich harmonisch in dieses märchenhaft-postirdische Ambiente. Als Gegenpol steht die Welt des Tempels, wo es unter den Priestern recht humorvoll zugeht und die Helden aus der Dunkelheit ins Licht gehen können, wenn sie die Anweisungen befolgen. Machen sie natürlich, und so steht dem Sieg des Lichts über die Finsternis am Ende nichts mehr im Wege, wie sich das für ein ordentliches Märchen gehört. Tamino bekommt seine Tamina (Amelie Petrich) und für Papageno gibt es von Hayoung Ra verkörpert eine reizende Papagena (und die hat sich Philipp Franke für seine großartige Leistung aber so was von verdient!).

Die Mächte des Bösen unterliegen, was schon fast bedauernswert ist, weil auch sie großartig waren in dieser Premiere. So wie beispielsweise Marian Kalus den Monostatos gibt, als eine Mischung aus Dracula und Renfield, ist deutlich die Handschrift eines versierten Regisseurs zu erkennen, der mit einem begabten Ensemble mal so richtig abspacen konnte.

Viel Applaus war schließlich der Dank an das Raumschiff „Zauberflöte“, als es aus viele Lichtjahre von der Erde entfernten Galaxien zurückkehrte, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.
Olaf Schulze

Weitere Inszenierungsfotos von Marco Kneise:

Autor: red

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