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HASS AUF WOLF, LUCHS, WANDERFALKEN?

Am liebsten wieder: Abschuss?

Montag, 06. Juli 2020, 14:00 Uhr
In grauer Vorzeit lebten unsere Altvorderen als Jäger und Sammler. Sie lebten von dem, was die Natur bot. Mit Pfeil und Bogen, Spieß und Axt gingen sie auf Jagd. Sie mussten Tiere töten, um zu überleben. Dieser Zwang, jagen zu müssen, wandelte sich im Laufe der Geschichte zu einer Jagdlust auf das Wild...


Adlige, Fürsten, Könige, Kaiser nebst Roten Zaren veranstalteten nachhaltige Jagdausflüge mit großem Gefolge und rauschenden Festen. Natur- und Artenschutz spielten, wenn überhaupt, keine Rolle. Hingegen wurde im Interesse der Jagdleidenschaft das Wildbrettaufkommen mit der Einführung von Muffelwild und Fasanen in deutschen Wäldern und Fluren bereichert.

Die Lust, Wild zu töten, führte in der Entwicklungsgeschichte der Jagd zu fatalen Auswüchsen und Folgen. Fast von der Bildfläche verschwunden waren Wisente, ausgerottet Luchs und Wolf in deutschen Gefilden. Wanderfalke und Seeadler kurz vor dem Exitus. Maßlos deren „Schädlichkeit“ übertreibend, wurde ihnen jedes Aufenthaltsrecht abgesprochen. Kein Pardon auch für den Feldhamster.

Rigoros verfolgt wurden neben Wanderfalken und Seeadler auch andere Greifvögel. Alles, was einen krummen Schnabel hatte, galt als schädlich: Habicht, Sperber, Uhu. Sie erbeuteten Tauben, Hühner aller Arten, Hasen, Enten, Singvögel, Rebhühner, Fasane. Der Uhu schlug auch mal ein Rehkitz. Schande über sie. Feuer frei! Ohne Rücksicht auf Verluste. Abschussprämien beschleunigten die Ausrottung nachhaltig. Die Jagd war zur Lust verkommen. Sehr spät erst griffen Verstand und Schutzmaßnahmen.

Heute ist die Jagd kein Privileg mehr. Sie unterliegt strengen Regelungen, Auflagen und Gesetzen. Wer Lust und Laune hat und die Voraussetzungen erfüllt, kann die Erlaubnis - auch im Schnellverfahren - erwerben und die Flinte schultern.

Mittlerweile sind Luchs und Wolf in deutschen Wäldern wieder anzutreffen. Auch in unserer Nähe. Zudem brüten drei Uhupaare und ein Wanderfalkenpaar im Landkreis, weiß Rolf Schiffler von der Naturschutzbehörde der Kreisverwaltung. Auswilderungsprogramme zeitigten nachhaltig Erfolge. Das gefällt nicht jedem. Auch in der Jägerschaft. Nicht jeder will Luchs oder Wolf im Revier! Weg mit ihnen! Am liebsten: Abschuss! Wie in alten Zeiten.

Allergisch reagierende Brieftaubenzüchter verdammen den Wanderfalken. Tauben, sagen sie, entkämen dank ihrer Schnelligkeit fast jedem geflügeltem Räuber, nur dem Falken nicht. Auf langen Wettflügen landeten selbst ihre wertvollsten Vögel mehr und mehr in seinen Fängen, klagen sie. Leider kann der Wanderfalke nicht unterscheiden, ob er eine Brief- oder Ringeltaube vor sich hat. Der Wanderfalke war, nicht zuletzt durch Umweltgifte, in Deutschland fast ausgerottet. Zum Glück ist er wieder da, wenn auch selten. Schon das missfällt. Von miesen Tricks ist zu hören, ihn wieder loszuwerden.

Da werde Tauben, die sich für Zucht und Wettkampf nicht mehr eignen, das Gefieder mit Giften farblich markiert, um sie für Wanderfalken und Habicht attraktiver wirken zu lassen. Erbeuten sie den Vogel, ist auch das Schicksal der Greife besiegelt. Wie vor Jahren bei Steinbach im Eichsfeld geschehen, weiß der bekannte Ornithologe Wilhelm Roth aus Heiligenstadt. Unweit einer Autobahnbrücke brütete ein Falkenpaar. Die Brut wurde vergiftet. Mit präparierten Tauben.

Ein illegal aufgestellter Habichtskorb war hierzulande entdeckt und entschärft worden. Auch der schon verstorbene Landwirt und ehemalige Geschäftsführer der Agrarproduktion „Zorgeland“ in Windehausen, Dieter Köhler, hatte einen Habicht gefangen. Köhlers Tauben standen wiederholt auf der Speisekarte des Greifvogels, was den Besitzer zu seiner illegalen Handlung veranlasste. Köhler wollte es nicht wieder tun, wie er dem Autor seinerzeit versicherte. Zum Glück sind derlei Praktiken sehr selten. Illegale Abschüsse von Luchs oder Wolf wurden bislang im Südharz nicht aktenkundig.

Auch der Wolf muss jagen, um zu überleben. Wie einst der Mensch. Sollte man ihn deshalb hassen, verdammen, generell seinen Abschuss fordern? Nein! Sagt Felix Findeisen. Vier Schafe der Familie (nnz berichtete) riss Isegrim im Raum Herrmannsacker. Findeisen verfluchte das Tier aber nicht. Im Gegenteil! Er sei im Forst tätig, Jäger und mit der Natur verbunden. Das verpflichte für die Erhaltung der Art. Er möchte mit dem Wolf leben. Diplomforstwirt Ole Anders vor allem mit dem Luchs.

Der aus Fernsehsendungen bekannter Anders betreut das Luchs-Auswilderungsprogramm im Harz seit 2000. Anfangs, sagt er, habe es auch Befürchtungen gegeben. In der Bevölkerung und bei einigen Jägern. Er sei sich wie ein Wanderprediger vorgekommen, von Veranstaltung zu Veranstaltung gereist. Die enorme Öffentlichkeitsarbeit, unterstützt von engagierten Förstern und Naturfreunden, war von Erfolg gekrönt. Der Luchs wurde mittlerweile zum Maskottchen in der Region, freut sich Anders.

Zum Glück haben wir im Landkreis viele naturverbundene Männer und Frauen, die sich nachhaltig für die Erhaltung und den Schutz der Art einsetzen. Ornithologen, Förster, Jäger schaffen künstliche Horste. Für Störche, Wohnstuben für Mauersegler, Schwalben, Eulen, Dohlen, Falken. Sie helfen beim Pflanzen von Vogel-Schutzgehölzen, betreuen Streuobstwiesen. Wiederholt informierte nnz über derlei Aktivitäten. Jetzt soll ein Schutzprogramm für den Rotmilan in der Rhön greifen, an dem auch Thüringer Forstleute beteiligt sind.

Ich möchte den Wolf keineswegs heilig sprechen. Wo er zum Problem wird, sollte eine Entnahme erfolgen. Er muss von Natur aus andere Tiere töten. Auch Wanderfalke und Habicht. Wer aber eine Tierart verdammt, sie gar hasst und ihr keinerlei Daseinsrechte in heimischen Gefilden gönnt – der stellt eigene egoistische Befindlichkeiten und Interessen über die Belange des Natur- und Artenschutz.

Unbestritten ist: Eine gute Öffentlichkeitsarbeit und ein sachlicher Dialog, wie es Forstingenieur Ole Anders am Beispiel Luchs und Jäger Felix Findeisen am Beispiel Wolf überzeugend veranschaulichen, sind entscheidend für ein gesundes Naturverständnis und für einen wirksamen Naturschutz. Für die Erhaltung der Artenvielfalt sind sie unerlässlich.
Kurt Frank
Autor: psg

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