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Nach dem Thüringer hat ein weiteres Verfassungsgericht entschieden

Auch Brandenburger Gericht kippt Paritätsgesetz

Freitag, 23. Oktober 2020, 12:00 Uhr
Genau so wie der Thüringer Verfassungsgerichtshof im Juli hat nun auch das Verfassungsgericht in Brandenburg ein Urteil gefällt, das Regelungen für mit Frauen und Männern paritätisch besetzten Landtagswahllisten für unzulässig erklärt. Damit ist erneut eine Landesregierung mit SPD- und Grünenbeteiligung daran gescheitert, ein Gesetz zu erlassen, das eine solche Regelung für alle Parteien und Wahlvereine vorschreiben würde…

So groß die Freude über diese Urteile auf der einen Seite ist, so groß ist der Frust der unterlegenen Parteien. Franziska Baum, liberaldemokratisches Mitglied des Verfassungsausschusses des Thüringer Landtags sieht ihre Rechtsauffassung durch das Urteil bestätigt. „Das Ärgerliche ist, dass die rot-rot-grünen Regierungen im Gesetzgebungsprozess nicht auf diejenigen hören, die auf die Nichtvereinbarkeit mit der Verfassung hinweisen. Deshalb müssen Gesetze durch Gerichte gekippt werden“, kommentierte sie die heutige Entscheidung.

Die Thüringer Regierungspartei Die Linke gibt sich in einer aktuellen Presseerklärung dagegen trotzig: „Auch die beiden Urteile können folgende Tatsachen nicht leugnen: Frauen sind nicht nur die Hälfte der Gesellschaft, sondern auch die Hälfte der Demokratie. Deshalb müssen sie mit ihren Bedürfnissen und Anliegen auch entsprechend in den Parlamenten vertreten sein.“

Die FDP-Frau Franziska Baum hält dem entgegen: „Wir Parlamentarier haben die Aufgabe, gerichtsfeste Gesetze zu machen. Darauf sollten wir uns mal wieder besinnen. Dafür braucht es weniger Wunschdenken und mehr Klarheit im Text. Das erhoffe ich mir auch für die Diskussion um die Verfassungsänderungen in Thüringen.“

Karola Stange, gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag will sich mit dem Urteil nicht abfinden und fordert: „ Nun muss die Urteilsbegründung intensiv ausgewertet werden, um zu klären was  beide Urteile für die weitere Arbeit für gleiche Teilhabe von Frauen in Parlamenten bedeuten.“

Frauen seien in Sachen gleiche Teilhabe in der Politik und an der gesellschaftlichen Gestaltungsmacht immer noch benachteiligt und dies müsse sich ändern. Außerdem wünschen die LINKEN, dass weiterhin daran gearbeitet wird „die Mehrheit der Richterinnen und Richter an den Verfassungsgerichten vom gesetzlichen Instrument der Paritätsregelungen zu überzeugen.“

Der justizpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Stefan Schard, kommentierte die Entscheidung folgendermaßen: „Das Brandenburger Urteil zeigt erneut, dass solche quotierende Wahlrechtseingriffe einen verfassungsjuristischen Irrweg darstellen und keinen gerichtlichen Bestand haben. Hier wird das richtige Ziel der Gleichberechtigung mit falschen Mitteln verfolgt. Diese Verletzung elementarer Verfassungsgrundsätze wird nun ein weiteres Mal höchstrichterlich korrigiert." Seine Fraktion wolle sich entschieden gegen solche tiefgreifende Eingriffe in die Wahlrechtsgrundsätze und die Rechte von Parteien stellen. Der Grundsatz von freien und gleichen Wahlen, so Schard, beziehe sich auch auf die Zeit vor dem eigentlichen Wahltag und dessen Vorbereitung. Die Thüringer CDU hatte den Vorschlag in den Landtag eingebracht, ein Verbot der Parität in die Verfassung zu schreiben.

Die Presseerklärung der Thüringer Regierungspartei schließt mit den Worten: „Wir als LINKE sagen: Diese gleiche Teilhabe von Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft muss sein – überall im praktischen Alltag vor Ort – auch im Landtag. Zumal die Thüringer Verfassung in Artikel 2 zugunsten von Frauen ein ausdrückliches Gebot zur Beseitigung aller bestehenden Nachteile enthält.“

Die anstehenden Debatten im Thüringer Landtag um eine Verfassungsänderung dürften spannend werden und die verschiedenen Interpretationen von Demokratieverständnis innerhalb der politischen Lager ganz offensichtlich verdeutlichen.
Olaf Schulze
Autor: osch

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