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Nachgefragt

Helmut Peter: "Digital ist kein Ersatz für menschliche Nähe"

Donnerstag, 21. Januar 2021, 17:00 Uhr
Wie steht es um die Autobranche unter den seit Monaten andauernden Lockdown-Bedingungen? Wie sieht es um die Gegenwart und Zukunft der E-Mobilität aus? Diese und andere Fragen stellten wir dem Präsidenten des Thüringer Landesverbandes des Kraftfahrzeuggewerbes, Helmut Peter.

Helmut Peter (rechts) im Gespräch mit Serviceberater Thomas Hildebrand im Mercedes-Haus in Nordhausen (Foto: H. Fischer) Helmut Peter (rechts) im Gespräch mit Serviceberater Thomas Hildebrand im Mercedes-Haus in Nordhausen (Foto: H. Fischer)
nnz: Herr Peter, wie gestaltet sich die Verbandsarbeit unter den Bedingungen der Corona-Pandemie?

H. Peter: Natürlich versuchen wir im Verband mit diesen Bedingungen umzugehen und selbstverständlich lernen wir auch täglich neu dazu. Aber es ist eben was anderes, wenn man Probleme oder Themen im persönlichen Gespräch erörtern oder klären kann. Momentan unterhalte ich mich mit unserem Geschäftsführer ausschließlich digital und da bleibt einfach die menschliche Nähe auf der Strecke. Mitunter leidet dann auch der Diskurs.

nnz: Wie steht es um den Kontakt mit den Kunden ihrer Mitgliedsunternehmen?

H. Peter: Die Beziehungen, wenn ich das mal so formulieren darf, zwischen den Herstellern, uns als Händler und unseren Kunden, die leiden schon extrem. Viele Menschen möchten das Auto, in das sie vielleicht mehrere Zehntausend Euro investieren, nicht nur in einem virtuellen Showroom sehen, sondern auch anfassen, sie wollen es fühlen. Gleichzeitig ist es richtig, dass sich die Kunden vor dem Gang zum Händler umfassend informieren. Gab es vor zehn Jahren noch rund fünf oder sechs Kundenkontakte vor der Unterzeichnung eines Kaufvertrages, so ist das in der Regel aktuell nur noch ein bis zwei Kontakte.

nnz: Sie selbst stehen einem Unternehmen vor, das Autohäuser in mehreren Bundesländern besitzt. Sehen Sie da Unterschiede?

H. Peter: Wir als Verband konnten in Thüringen bislang Einfluss auf die Ausgestaltung der Corona-Bedingungen nehmen. Wir konnten den Behörden bislang lückenlos und glaubhaft nachweisen, dass unsere Mitgliedsunternehmen äußerst bewusst mit der Einhaltung der Hygienevorschriften umgehen. In Niedersachsen und Sachsen Anhalt ist das anders. Dort ist der Verkauf untersagt, die Reparatur jedoch erlaubt. Und so treibt der Wahnsinn seine Blüten. Wenn wir in den beiden Bundesländern ein Ersatzteil an Kunden verkaufen wollen, dann müssen wir uns zuerst einen Auftrag der eigenen Werkstatt holen. Andere Bundesländer sollten sich vielleicht bei uns in Thüringen informieren, wie auch unter Corona-Bedingungen das Geschäft am Laufen und damit Arbeitsplätze erhalten werden können.

nnz: Wie man liest, macht den Händlern nicht nur das Virus zu schaffen, sondern auch der mitunter ausufernde Direktvertrieb der Hersteller. Wie stehen Sie dazu?

H. Peter: Ach wissen Sie, es wurde schon oftmals von den Herstellern mit den “Säbeln gerasselt”, aber ganz zum Schluss wissen auch die, dass es beim Verkauf eines hochpreisigen Gutes auf die Nähe zum Kunden ankommt. Ohne diese Nähe zwischen Hersteller und Kunden, die wir mit unseren Autohäusern aufbauen und realisieren, haben auch die Hersteller und Importeure keine wirkliche Vertriebschance. Und es kommt die persönliche Komponente hinzu. In den drei Jahrzehnten, die wir in Nordthüringen Autos verkaufen, fühle ich mich und fühlen wir uns als Unternehmen persönlich für die “Ware” verantwortlich. Und das geht auch meinen Kollegen in den anderen Thüringer Betrieben so.

nnz: Herr Peter, Sie gelten in der Branche nicht gerade als Befürworter der E-Mobilität, sondern eher als Mahner. Warum?

H. Peter: Obwohl es im vergangenen Jahr im Vergleich zum Jahr 2019 einen rasanten Anstieg beim Verkauf von E-Autos gab, war das meiner Überzeugung nach nicht hauptsächlich im ökologischen Umdenken der Käufer begründet, sondern hatte wirtschaftliches Denken als Hintergrund. Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen. Der E-Smart in guter Ausstattung würde ohne Fördermittel und Subventionen rund 25.000 Euro kosten. Davon ziehen wir die unterschiedlichsten Subventionen in Höhe von bis zu 10.000 Euro ab und haben somit einen Basiswert für Leasing oder Finanzierung von rund 15.000 Euro. Die Leasingrate können wir so mit 49 Euro pro Monat anbieten, macht nach zwei Jahren einen Restwert von rund 13.800 Euro. So kommt der Smart zu uns Händlern zurück. Um dieses Fahrzeug danach weiterhin mittels Finanzierung oder Leasing anbieten zu können, müssen monatliche Raten zwischen 300 und 400 Euro aufgerufen werden. Und nun verraten Sie mir bitte, wer das als Kunde tun wird? Niemand.

Ein zweiter Aspekt: Wir Kfz-Unternehmen müssen die Reparaturkosten für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben verdoppeln. Da kommen schon mal über 150 Euro je Stunde zustande, die der Kunde zahlen muss. Hintergrund sind die extrem gestiegenen Kosten bei der Softwarebeschaffung und technischen Werkstattausrüstung von den Herstellern, die Schulungsaufwendung der qualifizierten Mitarbeiter sowie die Schaffung gesonderter Arbeitsbereiche. Auf die vermutlich weiter steigenden Kosten beim “Stromtanken” will ich hier nicht weiter eingehen.

nnz: Wo sehen Sie dann die Zukunft der Mobilität auf vier Rädern?

H. Peter: Wenn es weiterhin, also auch in den kommenden Jahren, eine exorbitant hohe Förderung für E-Autos geben wird, dann werden die auch gekauft. Es ist unseren Erfahrungen zufolge aber schwer vorstellbar, dass diese Höhe der Förderung volkswirtschaftlich beibehalten werden kann und wir sind auch nicht davon überzeugt, dass es in der Bevölkerung ein vollständiges Umdenken hin zur E-Mobilität geben wird. So ist zum Beispiel bis heute die Entsorgung oder die Zellenreparatur nicht geklärt, von den Folgen bei einem Unfall ganz zu schweigen. Über die negative CO2-Bilanz der Batterieproduktion und Entsorgung wurde bereits genug gesagt und geschrieben. Die Hersteller, deren Fahrzeuge unser Unternehmen vertreibt, können momentan jedes E-Mobil sofort liefern. Ich wäre froh, wenn die auch verkauft werden können.

nnz: Also weiter Verbrenner?

H. Peter: Der moderne Diesel ist nach wie vor das in der Gesamtbilanz umweltfreundlichste Fahrzeug, das es weltweit gibt. Und da meine ich erst einmal die Pkw-Sparte. Viele unserer Kunden entscheiden sich jetzt bewusst für einen Verbrenner. Die Lieferzeiten für viele Verbrenner steigen deshalb ständig an. Bei den Nutzfahrzeugen, also im Güterverkehr, wird eine alternative Antriebsart bis 2025 weder im Verkauf noch im Werkstattbereich aus technischer Sicht überhaupt ein Gesprächsthema sein.

nnz: Aber im Landkreis Nordhausen rollen bekannterweise mehrere E-Busse im Nahverkehr…

H. Peter: Aus Sicht des Landrates ist das sicher eine richtige Entscheidung bei dieser hohen Förderquote. Mir persönlich gibt es aber zu denken, dass die Busse bei einer kleinen ausländischen Firma in Niedersachsen, die wiederum viele Fördergelder erhält, zusammengeschraubt werden. Und die führenden deutschen Hersteller wie MAN und Mercedes sollen es nicht geschafft haben? Ich würde gern mit den Verantwortlichen im Landratsamt in vier oder fünf Jahren zu den jetzt angeschafften Bussen das Gespräch führen.

nnz: Herr Peter, wir bedanken uns für das Gespräch, das Peter-Stefan Greiner führte.

Zur Person: Neben der bereits erwähnten Tätigkeit als Präsident des Thüringer Landesverbandes ist Helmut Peter als Vizepräsident des Mitteldeutschen Kraftfahrzeuggewerbes sowie als Präsidiumsmitglied des Zentralverbandes des Kraftfahrzeuggewerbes ehrenamtlich tätig. Die Peter-Gruppe, die er gemeinsam mit seinem Sohn Andreas Peter führt, verkaufte im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von 330 Millionen Euro insgesamt 12.500 Fahrzeuge. Die Peter-Gruppe beschäftigt 770 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter 114 Azubis. Das Unternehmen mit seinem Stammsitz in Nordhausen verkauft 12 Marken an 24 Standorten in drei Bundesländern.
Autor: psg

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