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Umfrage unter Lehrern

Die Hälfte glaubt, es nicht bis zur Rente zu schaffen

Donnerstag, 06. Mai 2021, 15:15 Uhr
Angesichts der enormen Mehrfachbelastungen, denen junge Lehrerinnen und Lehrer mit eigenen Kindern während der pandemiebedingten Schulschließungen ausgesetzt sind, zweifelt gut die Hälfte der Betroffenen daran, den Beruf bis zum Erreichen des regulären Rentenalters ausüben zu können...

Zu diesem Ergebnis kommt eine nicht-repräsentative Umfrage des Jungen tlv, die dessen Sprecher Tim Reukauf gemeinsam mit zwei Kolleginnen aus der Junglehrerschaft heute Nachmittag vorgestellt hat.

„Wenn 51 Prozent der von uns Befragten derzeit nicht glauben, dass ihre Kräfte bis zur Rente reichen, ist das ein absolutes Alarmsignal“, so Reukauf. „Die Verantwortlichen in der Politik dürfen diesen erneuten Hilferuf nicht ignorieren. Sonst stehen sie in absehbarer Zeit vor einem so großen Personalproblem, dass der heutige Lehrermangel im Rückblick geradezu harmlos aussehen wird.“

Der Junge tlv hat Ende März eine Online-Umfrage durchgeführt, die sich mit den Mehrfachbelastungen junger Lehrerinnen und Lehrer in der Pandemie beschäftigt. Knapp 400 Teilnehmer*innen gaben demnach Auskunft darüber, welche Auswirkungen der Spagat zwischen den pandemiebedingt zunehmenden schulischen Aufgaben und der Betreuung eigener Kinder auf ihren Arbeitsalltag und ihre Gesundheit hat.

„Unser Eindruck ist, dass die Politiker den enormen Belastungen junger Lehrer*innen in der Pandemie nicht in angemessener Weise Rechnung getragen haben“, so Reukauf. „Neun von zehn Teilnehmer*innen haben während der Schulschließungen selbst mindestens ein Kind zu Hause betreut. Nur gut ein Drittel der Betroffenen hatte Anspruch auf Notbetreuung. Die Hälfte hat angegeben, dass bei der Erstellung der Einsatzpläne keine Rücksicht auf die Betreuungssituation zu Hause genommen wurde. Außerdem mussten unfassbare 60 Prozent selbst zur Notbetreuung in die Schulen, obwohl die eigenen Kinder zu Hause waren.“

Die Folge, so Reukauf weiter, sei, dass gut die Hälfte der Befragten bei Stufe „Rot“ in den Schulen ihre beruflichen Aufgaben nicht montags bis freitags in der Zeit von 7 bis 20 Uhr erledigen konnten. Insgesamt 89 Prozent waren demnach gezwungen, auch außerhalb dieser Zeiträume zu arbeiten: 87 Prozent auch sonntags, 82 Prozent samstags, 76 Prozent nach 20 Uhr, 37 Prozent nach 22 Uhr und 25 Prozent morgens vor 7 Uhr.

Dies, so erklärt der Sprecher des Jungen tlv, habe direkte Auswirkungen auf das körperliche und seelische Wohlbefinden der Betroffenen. So gaben 79 Prozent der Befragten an, seit dem Lockdown im Dezember unter körperlichen Beschwerden zu leiden – besonders häufig genannt wurden hier Rückenprobleme, Kopfschmerzen, Magenprobleme, Müdigkeits- und Erschöpfungszustände sowie Augenprobleme. 65 Prozent leiden zudem unter seelischen Beschwerden, allen voran unter Schlafproblemen, depressiven Verstimmungen, Ängsten und einer erhöhten Anspannung.

Befragt nach möglichen Lösungswegen, berichtet Reukauf, hätten die jungen Kolleginnen und Kollegen verschiedene Maßnahmen genannt. „Wir erkennen hier drei Schwerpunktbereiche“, so der Sprecher: „Erstens: Die Ausstattung der Schulen muss dringend verbessert werden. Dies betrifft nicht nur, aber in besonderer Weise die Funktionalität der Thüringer Schulcloud.

Zweitens: Es müssen nachhaltige Modelle gefunden werden, wie die Kolleginnen und Kollegen zeitlich entlastet werden können – indem eben unabhängig vom Job des Partners ein Anspruch auf Notbetreuung besteht oder temporär einsetzbare Anrechnungsstunden für die Betreuung eigener Kinder gewährt werden. Und drittens brauchen wir unbedingt die Unterstützung multiprofessioneller Teams aus Schulpsycholog*innen, Schulsozialarbeiter*innen, Schulgesundheitsfachkräften, aber auch IT-Expert*innen. Der tlv fordert das seit Jahren, aber jetzt in der Not macht sich dieser Mangel besonders schmerzhaft bemerkbar.“
Autor: red

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