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Bad Langensalzas Bürgermeister Matthias Reinz sprach mit der uhz online

„Die Stadt unbeschadet aus der Krise führen“

Donnerstag, 18. August 2022, 19:00 Uhr
Die derzeitige Krise und die Fehler der großen Politik, die Möglichkeiten der Stadt darauf zu reagieren und weitere Investitionen waren wichtigste Themen unseres Gesprächs mit dem Bad Langensalzaer Bürgermeister Matthias Reinz…

Will die Stadt unbeschadet aus der Krise führen: Matthias Reinz  (Foto: oas) Will die Stadt unbeschadet aus der Krise führen: Matthias Reinz (Foto: oas)

Matthias Reinz ist momentan nicht gut zu sprechen auf die große Politik in Berlin. Mit Sorge sieht er die Entwicklung in der Energiekrise, die er für katastrophal hält. Der Bund müsse endlich andere Maßnahmen ergreifen, gegen die steigenden Preise etwas unternehmen. Sonst befürchtet das Stadtoberhaupt einen stürmischen Herbst mit möglichen Unruhen in der Bevölkerung. Hinzu kämen die unglücklichen Entscheidungen im Umgang mit der Corona-Krankheit, die im Herbst wieder vom Bundesgesundheitsminister aufgelegt werden könnten. Hier hofft er auf einen weniger restriktiven Umgang mit der Situation als im letzten Winter.

Auch kann Reinz die ewigen Aufrufe zum Sparen von Energie nicht mehr hören. „Wir können uns auch totsparen“, warnt er und lehnt ganz entschieden einen Aktionismus ab, wie andere Städte ihn schon betreiben und beispielsweise nachts die Stadtbeleuchtung abschalten wollen. „Das wird es bei uns nicht geben, weil es der völlig falsche Weg ist“, bekräftig er. „Als wir unsere Stadtbeleuchtung auf LED umstellen wollten, hat es die Thüringer Kommunalaufsicht untersagt. Und damit hätten wir wirklich einiges einsparen können. Jetzt werde ich die Bevölkerung nicht der Gefahr einer zappendusteren Stadt in der Nacht aussetzen.“ Bad Langensalza sei eine Kurstadt und könne sich nicht hinstellen und beispielsweise die Therme schließen, um Energie einzusparen. Auch die Kaltwasservariante in Sportstätten, wie sie etwa Erfurt praktizieren will, kommt für ihn nicht in Frage. Die Vereine hätten durch die Corona-Maßnahmen schon genug erduldet und außerdem halte er ein solches Vorgehen aufgrund der dann entstehenden Legionellengefahr in den Rohren für undurchführbar.

„Noch sind die Auftragsbücher der Handwerker gefüllt“, führt er weiter aus, „aber was ist in ein bis zwei Jahren? Welcher Kunde soll die gestiegenen Preise in allen Branchen denn noch bezahlen können?“ Matthias Reinz befürchtet große Probleme durch ausfallende Arbeiten auch auf die Verwaltungen zukommen und beschwört: „Der Mittelstand darf nicht vor die Hunde gegen!“

Vom Thüringer Städte- und Gemeindetag verspricht sich der parteilose Verwaltungschef nur wenig Hilfe und äußert sich enttäuscht von diesem Gremium. Hier hatte er sich mehr Druck auf die Landes- und Bundespolitik gewünscht. „Stadtwerke und Versorger werden das Nachsehen haben, wenn nicht etwas gegen die steigenden Kosten unternommen wird. Wir können den Markt hier nur beobachten und versuchen jetzt, die langfristige Lieferverträge bis 2025 unter Dach und Fach zu bringen.“ Bisher hat er dafür nur ein einziges Angebot erhalten und auch dieser Lieferant verlangt sofort Bürgschaften. Die aber kann Reinz in der jetzigen Lage nicht bieten. Das Problem müsse letztlich auf Landesebene geklärt werden, meint er, eine einzelne Stadt habe dafür nicht die nötige Kraft.

Die neu gestaltete Friederikentherme, bei deren Fertigstellung es jetzt ärgerliche Verzögerungen gab, ist energetisch für 15 Millionen Euro umgerüstet worden und der Bürgermeister erwartet, dass sie vollumfänglich im Winter in Betrieb sein wird. „Wir sind Kurstadt, die Therme als medizinischen Bad ist eminent wichtig für uns. Eine Schließung oder Temperaturherabsetzung aus Energiespargründen ist nicht vermittelbar.“ Seine Haushaltressourcen fürs laufende Jahr seien durch die entstandene Allgemeinsituation jetzt schon ausgeschöpft und es würde schwierig, die Vorgaben für den aktuellen Haushalt einhalten zu können. Bei der galoppierenden Inflation werde es auch nicht leichter werden neue Finanzhaushalte für die Zukunft aufzustellen.

„Ich bin dafür kritisiert worden, dass ich keine neue Visionen für die Stadt hätte. Jetzt stellt sich heraus, dass es eine Mammutaufgabe werden wird, das Geschaffene so zu erhalten, wie es die Bad Langensalzaer und ihre Gäste lieben und schätzen gelernt haben.“ Es sei seine Hauptaufgabe, die Stadt möglichst unbeschadet aus der Krise herauszuführen. Es gehe jetzt um die Bestandserhaltung, dennoch werde natürlich weiter in die Infrastruktur investiert, Straßen und Spielplätze in den Ortsteilen müssten erneuert werden. Der Hamburger Weg werde als nächstes saniert und in der Therme die Restarbeiten ausgeführt, so dass alle Abteilungen nach und nach in Betrieb gehen könnten. Die Feldstraße ist fertig gestellt, 400.000 Euro sind hier verbaut worden. Nun wird noch eine Fahrradschutzstreifen auf den Belag aufgetragen.

Gerade in solchen Krisenzeiten sei es wichtig, den Bürgern gegenüber ehrlich zu sein. Dafür werde er einstehen und nicht um den heißen Brei herumreden, verspricht der Bürgermeister. lm Moment beläuft sich der Betrag der noch ausstehenden Gewerbesteuern für dieses Jahr auf 1,7 Millionen Euro. Doch Reinz ist optimistisch, dass bis Jahresende diese Schulden beglichen werden und die Stadtkasse wieder besser gefüllt sein wird.

Erfreut ist er über die große Resonanz bei den Stadtfesten in den letzten Wochen. „Die Leute holen alles nach, was in den letzten beiden Jahren nicht möglich war.“ Für das anstehende Mittelalterfest am nächsten Wochenende rechnet Reinz mit ordentlich Gedränge in der Stadt.

Es seien zwar schwierige Zeiten, betont er, aber es sei auch schön zu sehen, wie viele Langensalzaer es gibt, die in Vereinen oder privat hoch motiviert und ehrenamtlich für das Wohl und die Reputation der Stadt arbeiten. „Für dieses Engagement und die Fröhlichkeit und Freundlichkeit mit der die Menschen das tun, möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken. Es ist nicht selbstverständlich und doch für das Gedeihen unseres Gemeinwohls sehr wichtig.“
Olaf Schulze
Autor: red

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