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Fr, 13:00 Uhr
23.09.2022
Lichtblick zum Wochenende

Fragen, Sorgen, Angst und zwei alte Propheten

Montagabend in Sondershausen. Die große Glocke der Trinitatiskirche läutet den Abend ein und auf dem Marktplatz sammeln sich Männer, Frauen und Kindern, um zu demonstrieren. Sie demonstrieren gegen die aktuellen Entwicklungen in unserem Land...

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Gegen Inflation und eine Politik, die ihre Sorgen nicht zu interessieren scheint. Mit Trillerpfeifen und Trommeln setzt sich der Demonstrationszug in Bewegung und läuft durch die Straßen der Stadt. Da ist Wut zu spüren. Da sind Zukunftsängste. Da ist die Angst vor der nächsten Energierechnung.

Da sind offene Fragen: Wie wir über den anstehenden Winter kommen werden? Wie kann ich mir den nächsten Einkauf leisten? Wut und Ängste. Und ich kann diese Emotionen nachvollziehen, denn auch ich stelle mir diese Fragen. Auch ich schaue ratlos jeden Morgen in die Zeitung und stelle mir die Frage, was soll das werden?

Auch ich beklage eine Politik, die die Schwächsten in unserem Land vergisst. Auch ich beklage eine Wirtschaftsordnung, die Profite und Dividendenzahlungen über das Wohl von Menschen, über das Wohl des sozialen Ausgleiches stellt. Ich bin ratlos, wenn ich morgens die Zeitung lese oder abends die Nachrichten einschalte. Im meinem Kopf geistern Fragen herum, auf die ich keine Antworten finde. Ich beobachte die öffentlichen Debatten und politischen Entscheidungen und stehe sooft fassungslos daneben. Was soll das werden?

Mir sind in den letzten Tagen zwei biblische Worte in die Hand gefallen, die neben meine offenen Fragen, meine Sorgen und meine Angst lege. Sie stammen aus dem Alten Testament. Von den Propheten Amos und Micha – beide lebten im 7. Jahrhundert vor Christus. Und beide beklagen soziale und politische Missstände in ihrem Lebensumfeld. Da heißt es:
„Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“ (Amos 5,6) und:
„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ (Micha 6,8)

Diese alten Worte treffen meine offenen Fragen, sprechen mitten hinein in meine Angst und meine Sorgen, mitten hinein in die aufsteigende Wut, wenn ich die Zeitung blicke. Und sie verraten mir, was ich als Christ, was wir als Kirche in diese Zeiten tun müssen, um der aktuellen Situation zu begegnen.

Es sind drei Dinge:
1. Recht und Gerechtigkeit einfordern. Sich in die aktuellen Debatten einmischen und politische Entscheidungen einfordern, die das Gemeinwohl über die Partikularinteressen weniger stellt.
2. Orte schaffen, an denen Austausch und Zusammenhalt gelebt werden kann. Unsere Kirchen können solche Orte sein. Orte, an denen Emotionen Platz haben dürfen. Orte, an denen man gemeinsam nachdenkt und sich solidarisch beisteht.
3. Für Schwache da sein. Kirchliches Geld und Ressourcen einsetzen, um soziale Härten aufzufangen.

Die Propheten den Alten Testaments fordern uns auf eine Kirche zu sein, die sich einmischt, Gerechtigkeit einfordert, Solidarität lebt, Begegnung ermöglicht und tatkräftig den Schwächsten hilft. Das will ich versuchen in den nächsten Wochen und Monaten. Meine Fragen werden bleiben. Auch meine Sorgen und Ängste werden nicht einfach so verschwinden. Und trotzdem will ich versuchen tatkräftig meinen Beitrag zu leisten, damit wir gemeinsam diese schwierige Zeit durchstehen.

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. (Micha 6,8)
Pfarrer Karl Weber, Sondershausen
Autor: red

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